Nova Scotia.
Das hört sich so verlockend an… Im Jahr 2001 durfte ich bei einer der besten Inforeisen meines Lebens dabei sein. Eine Inforeise ist eine mit Programmpunkten extrem vollgepackte Tour zum Kennenlernen einer Region und somit zum anschließenden besseren Verkauf für Reisebüro-Mitarbeiter.
„Ankunft in Montreal, Stadtrundfahrt durch die kanadische Stadt der französischen Lebensfreude. Fahrt mit VIA Rail „The Ocean“ Richtung Halifax. Übernachtung im Zug. Ankunft Halifax – der größten Stadt der Atlantikprovinzen. Beim Besuch der Zitadelle und dem Maritime Museum of Atlantic werden Sie in den Bann der Geschichte Nova Scotias gezogen. Auf dem Weg nach White Point Beach erleben Sie die schöne Südküste mit Peggy´s Cove Lighthouse, Mahone Bay und der historischen Stadt Lunenburg mit ihren bunten Häusern und weißen Kirchen. Übernachtung in White Point Beach, Flug nach Vancouver – Anschluss…“
Erst fünf Tage vor Abflug bekam ich die Zusage, da irgendjemand hatte nicht mitfliegen können und somit doch einiges verpassen würde…
Flug mit Air Canada ab Frankfurt. Erstes Zusammentreffen der Gruppe. Bunt gemischt und es schien eine harmonische Truppe zusammengekommen zu sein. Beste Voraussetzungen. Tolle erste Gespräche auf dem langen Flug nach Montreal.
Ankunft dort und Empfang von der Reiseleitung mit einer großen Überraschung. Da wir die erste Nacht im Zug verbringen würden, uns aber keiner mitgeteilt hatte, doch eine separate Tasche für eben diese eine Übernachtung zu packen, startete ein hektisches Gewimmel von 20 Leuten am Flughafen in Montreal. Das schweißte die Gruppe gleich noch mehr zusammen, denn jeder musste nun vor den Augen aller, erstmal seinen Koffer öffnen und irgendwie für die erste Nacht und den nächsten Tag umpacken. Manche hatten keinen Rucksack oder keine kleine Tasche zur Hand. Ein wildes Tauschen und Organisieren startete und Spaß war garantiert auf dieser Tour.
Nachdem die Koffer und Taschen dann im Bus verstaut waren, die erste Aufregung überstanden war, startete unsere Rundfahrt durch die franko-kanadische Metropole am St. Lorenz-Strom. Es war November, graues, düsteres Wetter, aber es war einfach schön. Überall hing schon die Weihnachtsdeko und wir bestaunten die wunderschönen Beleuchtungen. Ich erinnere mich auch noch an einen kurzen Stopp in einem unterirdischen Einkaufszentrum.
Wir bekamen alle ein „Nova Scotia – Canada“ – Namensschild umgehängt, was der ganzen Gruppe super half, recht schnell alle Namen zu verinnerlichen.
Ich war zu der Zeit Vegetarierin und habe mich, gefühlt, die komplette Zeit der Reise von Caesar Salad ernährt. So auch bei unserem sehr späten Lunchstopp beim traditionellen Smoked Meat Essen. Der erste Caesar Salad von noch vielen dieser Reise.
Am Bahnhof von Montreal wandern unsere Koffer in die Gepäckwagon und wir in unsere zugeteilten Abteile. Manche haben ein komfortables Doppel- oder Viererabteil. Ich bin mit einer größeren Gruppe in einem Großraumabteil. Was bedeutet, dass beim Betreten des Zuges noch alles den Anschein hat, als ob es gar keine Schlafmöglichkeiten gibt. Aber während wir beim Abendessen im Bordrestaurant sitzen, werden die Schlafgemächer hergerichtet. Draußen ist es mittlerweile dunkel, es haben sich erste kleine Grüppchen gefunden. Zu viert sitzen wir am Tisch im Restaurant und irgendwie können wir unser Glück gar nicht fassen. Es ist alles so spannend: Meine überhaupt erste Übernachtung in einem Zug. Und das mit so einer tollen Truppe.
Wir haben riesigen Spaß beim Essen, lachen viel, genießen, trinken unser erstes kanadisches Bier und freuen uns einfach, auf das, was da die nächsten 9 Tage noch vor uns liegen wird.
Jetzt legen wir uns gleich erstmal in die Kojen. Vorfreude. In unserem Großraumabteil wurden von den Decken die oberen Betten heruntergeklappt, eines davon ist mein Gemach für die Nacht. Die unteren Sitze wurden ebenfalls in Kojen umgewandelt. Alles abgetrennt durch separate Vorhänge und Netze. Super gemütlich meine kleine „Muschel“. Ich habe ja nicht viel dabei, außer einer wirklich kleinen Tasche, die findet hier locker Platz. Am Wagon Ende befindet sich eine Nasszelle, die wir uns teilen.
Es ist super gemütlich. Das Rattern des Zuges, die ganzen unbekannten Geräusche, ich in meiner „Muschel“. Ich bin auch froh, eine obere „Muschel“ ergattert zu haben. WohlfühlGefühl. Ob ich viel Schlaf bekommen habe, kann ich gar nicht mehr sagen, aber ich starte aufgeregt und neugierig in den neuen Tag. Nach dem Frühstück im Boardrestaurant sitzen wir stundenlang im Panoramawagen mit großen Panoramafenstern auf der oberen Etage. WOW. Es scheint, wir haben den ganzen Panoramawagen für uns. Wir starren stundenlang aus dem Fenster, während Ort wie Rimouski, Mont-Joli, Metapédia oder Campbellton an uns vorbeiziehen. Ein Ort bleibt uns besonders in Erinnerung: Moncton. Hier, gefühlt mitten im Nirgendwo, machen wir einen längeren Stopp. Einige aus der Gruppe steigen aus, um aus der Telefonzelle am Bahnsteig, nach Hause zu telefonieren. Nach Abfahrt, fragen wir uns schon, ob es denn jeder wieder rechtzeitig zurück in den Zug geschafft hat. Irgendwann trudeln dann doch wieder alle im Panoramawagen ein. Uns fällt auf, dass wir erstaunlich viele Friedhöfe entlang des Weges sehen… In Moncton ist auch noch Besuch für uns zugestiegen. Wir bekommen während der Fahrt noch eine ausführliche Einführung von einem Tourismusbüro Mitarbeiter der Provinz Nova Scotia, der wir gespannt bei einem Kaffee und Gebäck lauschen. Wir erfahren aber nicht nur viel über die Provinz Nova Scotias, sondern bekommen auch eine Einführung in die Provinzen Newfoundland, New Brunswick und Prince Edward Island. Da freuen wir uns gleich noch mehr auf die nächsten Tage. Wow. Fast 1400 km rattern wir über die Schienen dahin.
Etwa 22 Stunden später kommen wir am frühen Abend in Halifax an. Wir checken noch schnell im Hotel ein, bevor wir sofort wieder mit dem Bus zur Zitadelle gefahren werden, wo heute Abend in festlicher Atmosphäre ein Hummeressen für uns stattfindet. Begrüßt werden wir von „Soldaten“ in schottischen Kilts begleitet von Dudelsackmusik. Eine tolle Stimmung. Wir bekommen alle Plastik-Lätzchen um den Hals und zur Belustigung aller, auch noch Schaumstoff-Hummer auf Haarreifen auf den Kopf. Wie eine Horde Kindergartenkinder sind wir alle am Giggeln. Alles ist festlich, weihnachtlich geschmückt im Raum. Was für ein Abschluss eines wundervollen Tages.
Vollkommen müde, aber ebenso vollkommen glücklich fallen wir alle an diesem Abend ins Bett. Es rattert nicht, es ist erstaunlich still und meine Zimmergenossin schnarcht auch nicht. Wunderbar.
Früh geht es am nächsten Morgen wieder los. Schnell noch frühstücken. Wir haben etwa 250 km vor uns mit einem tollen roten Bus der Gray Line, der ausschaut, wie ein alter Eisenbahnwagon auf Rädern. Wunderschön und so passend als Farbklecks in der doch recht trüben Wetterstimmung, die aber wiederum perfekt zu diesen kleinen idyllischen Fischerörtchen entlang der Küste passt. Es geht an die wunderschöne Südküste Nova Scotia´s. Die Bilderbuch Anblicke könnten schöner nicht sein. Und da wir Ende November, in der absoluten Nebensaison, unterwegs sind, sind wir fast überall alleine. Über dem Ortsschild von Beales Bailiwick, direkt am berühmten Peggy´s Cove Leuchtturm (dem wohl meistfotografierten Leuchtturm Kanadas) prangt ein großes Schild mit roter Schrift „End of Season Sale“. Wir kehren unterwegs an der Küste in einem Lokal ein, welches einzig für uns alleine noch einmal extra geöffnet zu haben scheint. Ein Caesar Salad so gut wie der andere, auch hier im Nirgendwo. Die ruhige Stimmung an der Küste beruhigt die Sinne. Der weiße, strahlende Leuchtturm auf den vorgelagerten Felsklippen ist ein wahrer Fels in der Brandung. Wunderschön anzuschauen vor dem grauen Himmel.
Der Busfahrer stellt wieder sein kleines blaues Höckerchen vor den roten Bus, damit wir komfortabl einschlafen können, einsteigen können, meine ich natürlich. Denn Einschlafen, dass passiert erst, als wir wieder im warmen Bus in die Sitze gekuschelt sind und Nova Scotia wie im Film auf dem Weg zu unserem nächsten Stopp, Lunenburg, an uns vorbeizieht. Zumindest bei manchen aus der Gruppe hat die viele frische Luft die Augenlider beschwert…
In Lunenburg erwartet uns die „Angela Merkel“ Nova Scotias (sieht ihr wirklich sehr ähnlich), zu einem geführten Rundgang durch das pittoreske Örtchen. Überall an den Parkuhren kleben Zettelchen mit der Aufschrift „Free Parking – Merry Xmas! 2-hour limit“. Sehr sympathisch, aber gefühlt ist auch niemand im Ort unterwegs, der irgendwo parken könnte oder möchte, außer unserer Gruppe von 20 neuen Nova Scotia Fans.
Eine der weiße Holzkirchen, die, die direkt neben der Feuerwehr stand, ist leider erst kürzlich abgebrannt und nur noch in Ruinen zu bestaunen. Überall im Ort stehen wunderschöne, farbenfrohe holzverkleidete Häuser, viele reichlich mit Weihnachtsdeko verziert. Besonders imposant die Lunenburg Academy, ein großer schwarz-weißer Gebäudekomplex mit rotem Dach.
Mir persönlich gefällt allerdings ein rotes Gebäude am Wasser am besten. Die leuchtend rote Farbe des Hauses mit der Aufschrift Lunenburg vor einem Anlegesteg, an dem ein größeres schwarzes Boot liegt. Wie ein Gemälde, super schön.
Nach der interessanten Tour mit Angela, geht es weiter, immer an der Küste entlang nach White Point Beach. Hier erwartet uns nebelige Stimmung außen und heimelige Stimmung innen. Wir haben wunderschöne Zimmer mit Holzterrassen zum Wasser hin. Im Hauptgebäude brennt im Kamin ein Feuer, überall leuchten Weihnachtslichtchen. Mal wieder: Wunderschön.
Wir fühlen uns alle in die Ferienanlage von Dirty Dancing gebeamt. Das bleibt auch das Motto des ganzen Abends. Überhaupt immer, wenn wir später wieder von White Point Beach sprechen, sprechen wir eigentlich von Dirty Dancing. Überall auf den Rasenflächen hoppeln Hasen umher, die sich sogar streicheln lassen. Es bleibt nicht viel Zeit, denn nach dem Essen im Haupthaus, heute mache ich eine Ausnahme als Vegetarier, denn es gibt wunderbare Steaks, ist für uns im Garten ein großes Lagerfeuer geschürt. In unsere Winterjacken gekuschelt, immer noch im Nebel, rösten wir Marshmallows. Ein Sternenkundler hat für uns ein großes Fernrohr aufgebaut und erklärt uns, wann immer der Nebel sich ein wenig lichtet, die Sternenbilder über Nova Scotia. „It´s a great day at WHITE POINT BEACH“.
Noch bevor wir ins Bett gehen, ich habe heute eine neue ZimmerFreundin, kommen wir zwei auf die glorreiche Idee, unsere Jacken, die unbeschreiblich stark nach Lagerfeuer riechen und ja noch einige Zeit in Kanada durchhalten müssen, auf die Terrasse zu hängen. Der nächste Morgen zeigt dann leider, dass die Idee überhaupt gar nicht glorreich war, sondern mehr als bescheiden, denn unsere Winterjacken sind komplett nass von dem Nebel der Nacht. Dumm gelaufen. Eine extra Zwiebelschicht mehr ist heute angesagt, bis die Jacken im Bus hoffentlich relativ schnell wieder etwas trocknen.
Wir fahren heute zurück nach Halifax und besuchen dort das Maritime Museum of the Atlantic. Unter anderem erfahren wir hier, was die Titanic mit Halifax verbindet. Alle Überlebenden kamen damals nach New York und alle, die bei dem tragischen Unglück ums Leben kamen, wurden nach Halifax gebracht. Im Anschluss besuchen wir auch den Fairview Lawn Friedhof, auf dem die meisten ihre letzte Ruhe fanden.
Anschließend checken wir im Hotel ein, noch schnell duschen, aufwärmen und frisch machen, bevor unsere Pub Crawl Tour startet. Im Foyer des Hotels empfängt uns unser Busfahrer der letzten drei Tage, der uns mit so viel Freude im roten Bus durch Nova Scotia gefahren hat, im traditionellen Kilt. Das ist mal eine Überraschung. Überall sind wir immer wieder mal mit Dudelsack Musik empfangen worden, aber dieser Abend nun wird live begleitet von einem Dudelsackspieler. Mit ihm und sehr guter Stimmung ziehen wir durch die Kneipen der Stadt. Wir sind ausgestattet mit gelben Regenhauben, die wir den ganzen Abend tragen. Wir müssen für die Einheimischen wirklich lächerlich ausgeschaut haben, aber uns ist das Grinsen nicht mehr aus den Gesichtern zu bekommen. Der Abend ist eine riesen Gaudi, immer wieder ruft uns der Dudelsackspieler zum Weiterzug in die nächste Kneipe. Was für ein wunderschöner, überraschender Abschied unserer intensiven Mini-Tour durch Nova Scotia.
Wir fliegen am nächsten Tag, sehr früh – nach wenig Schlaf, noch für ein paar weitere prallgefüllte Tage nach Vancouver an die Westküste.
Nova Scotia hat einige wundervolle TREUE neue Fans. Forever.
Und noch viel schöner und wertvoller, ich bin immer noch Teil einer Gruppe von 8 besonderen Menschen dieser Gruppe von damals, 2001… Wir sind immer noch im ständigen Austausch und verbunden.
Für meine FNBs und FNSs.





















